Praktikanten – die ein Pflichtpraktikum absolvieren – das nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Annahme eines Studiums ist, haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.

BAG – Urteil vom 19.01.2022 – 5 AZR 217/21

Mindestlohn für Pflichtpraktikum – BAG

Hintergrund: Das MiLoG gilt für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Praktikanten und Praktikantinnen i.S. des § 26 des Berufsbildungsgesetzes gelten als Arbeiternehmer und Arbeitnehmerinnen im Sinne dieses Gesetzes – es sei denn – dass sie:

  1. ein Praktikum verpflichtend auf Grund einer schulrechtlichen Bestimmung, einer Ausbildungsordnung, einer hochschulrechtlichen Bestimmung oder im Rahmen einer Ausbildung an einer gesetzlich geregelten Berufsakademie leisten, [….] Praktikant oder Praktikantin ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt.

Sachverhalt: Die Klägerin beabsichtigte, sich an einer privaten, steuerlich an erkannten Universität um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach der Studienordnung ist u.a. die Ableistung eines sechsmonatigen Krankenpflegedienstes Zugangsvoraussetzung für den Studiengang. Vor diesem Hintergrund absolvierte die Klägerin bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, ein Praktikum auf einer Krankenpflegestation. Die Zahlung einer Vergütung wurde nicht vereinbart.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin unter Berufung auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) Vergütung in Höhe von insgesamt 10.269,5 Euro brutto. Sie macht geltend, sie habe im Rahmen einer Fünftagewoche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet. Ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums sei kein Pflichtpraktikum im Sinne des MiLoG, daher greife die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht ein.

Mit der Klage hatte sie in allen Instanzen keinen Erfolg:

  • Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Beklagte nicht zur Zahlung des gesetzliches Mindestlohns nach § 1 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG ist.
  • Die Klägerin unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes.
  • Der Ausschluss von Ansprüchen auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG erfasst nach dem in der Gesetzesbegründung deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht nur obligatorische Praktika während des Studiums, sondern auch solche, die in Studienordnungen als Voraussetzung zur Aufnahme eines bestimmten Studiums verpflichtend vorgeschrieben sind.
  • Dem steht nicht entegen, dass die Studienordnung von einer privaten Universität erlassen wurde, denn diese Universität ist staatlich anerkannt.
  • Hierdurch ist die von der Hochschule erlassene Zugangsvoraussetzung im Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Regelung gleichgestellt und damit gewährleistet, dass durch das Praktikumserfordernis in der Studienordnung nicht der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten sachwidrig umgangen wird.

Quelle: BAG – Pressemitteilung vom 19.01.2022 (il) / NWB Online-Nachricht – Mittwoch, 19.01.2022